Frau Holle oder Wie das Mädchen wieder aus dem Himmel fiel.

Es war einmal, nich allzu lange her, da saß ein Mädchen, gut 15 Jahre alt, mit Stift unsd Papier an einem Brunnen und dachte nach. Sie dachte und dachte, und als sie da so saß, da sprudelten die Gedanken wie aus einem Brunnen aus den Tiefen ihres Bewusstseins heraus. Das Mädchen ließ ihre Gedanken um ferne Orte und fremde Melodien ziehen, und ließ sich dadurch unbemerkt von ihrer Arbeit ablenken. Bevor sie sich versah, verspürte sie einen tiefen Stich in ihrem Herzen, der höllisch schmerzte. Um die Wunde zu säubern beugte sie sich über den Brunnen. Das Wasser jedoch stand niedrig an diesem Tage, und so bückte sich das Mädchen noch tiefer in den Brunnen, so weit, dass ihr das Herz in in den Abgrund hineinfiel. Ohne groß zu überlegen sprang sie hinterher, fest entschlossen, ihr Herz unten wieder zu finden.

Das Mädchen fiel und fiel, bis es dumpf auf einer Wiese ankam. Sie schaute sich um und alles war so anders. Die Berge waren fort und wohin man sah fand man Wiesen und Kornfelder. Sie machte sich gerade auf den Weg, ihr Herz zu suchen, als sie ihren Namen rufen hörte. Eine ganze Schar an Mädchen und Jungen kam auf sie zugerannt, allesamt in ihrem Alter. Sie wusste nicht recht, was sie tun sollte, also lief sie einfach mit den anderen Kindern mit. Sie schauten sich gemeinsam die Weiten des Landes an, und als da Mädchen wusste, dass es Zeit war, verabschiedete es sich von seinen neu gewonnenen Freunden, mit der Begründung, dass es aufbrechen müsse, ihr Herz zu suchen. Unweit traf sie auf einen Baum, der weinte. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Der Baum trug weder Äpfel noch Birnen, er trug Erlebnisse. Das Bäumchen rief ihr zu, sie solle es doch schütteln, die Erlebnisse seien schon längst überfällig. Mit großer Freude machte sich das Mädchen daran, die Erlebnisse vom Baum abzuschütteln, sie als Erfahrungen zu sammeln und in Erinnerungen umzuwandeln. Als der Baum zufrieden war, begab sie sich weiter auf die Suche nach ihrem Herzen.

Einige Zeit später fand das Mädchen ein Haus wie sie es noch nie gesehen hatte. Sie wusste nicht, was es war, oder wer darin lebte, doch sie spürte sofort, dass ihr Herz darin war. Als sie an das Tor klopfte, öffnete eine alte, freundliche Frau den Eingang und bat sie herein. Das Mädchen fühlte sich sofort willkommen und wusste sehr wohl, dass sie hier bleiben wollte.
Und so zogen die Wochen und Monate ins Land und sie traf viele neue Menschen, lernte fremde Sprachen und hörte wundervolle Musik.

Nach einiger Zeit merkte das Mädchen, dass es Zeit für sie war, zu gehen. Die alte Frau, die nun ihre Großmutter geworden war, schenkte ihr zum Abschied all die Früchte der wundersamen Bäume, die sie in ihrem Garten hatte. Das Mädchen konnte ihr Glück kaum fassen und dankte ihrer Großmutter tausendmal. Als sie das Tor zur echten Welt betrat, drehte sie sich noch einmal zu ihr um und holte etwas aus ihrer Tasche. Die Großmutter konnte kaum glauben, was sie da sah, denn es war des Mädchens Herz, auf dessen Suche sie erst zu ihr gekommen war. Wenn sie schon nicht bleiben konnte, so meinte das Mädchen, so solle wenigstens ihr Herz am rechten Fleck verweilen. Langsam drehte sie sich um und verschwand auf dem Weg zurück zu ihrem alten Zuhause am Horizont.

Bis heute liegt das Herz des Mädchens im Hause der Großmutter, die nie aufgehört hatte, an sie zu denken. Und bis heute denkt das Mädchen jede Stunde an ihre Zeit in dem wundersamen Land, das so fern, aber auch so nah war und aus dem sie ihr Herz wohl nie wieder gewinnen konnte.

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